Vor 100 Jahren noch auf der grünen Wiese und als Zwillingsbau angelegt: die damalige Ludwigschule. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden die beiden Flügel durch ein Dach verbunden. FOTO ARCHIV HEINRICH HUBER

Vor 100 Jahren noch auf der grünen Wiese und als Zwillingsbau angelegt: die damalige Ludwigschule. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden die beiden Flügel durch ein Dach verbunden. FOTO ARCHIV HEINRICH HUBER

Sittlichkeit, Zucht und Ordnung

Frieden-Volksschule feiert 100. Geburtstag und blickt zurück auf die Zeit um 1908

Das waren noch Zeiten, als Schulen Pflanzstätte sein sollten für christliche Sittlichkeit, Zucht und Ordnung, für alles Rechte und Gute (was man sich durchaus auch für heute wünschen würde), für den vaterländischen Sinn, Fleiß, Willigkeit und Gehorsam. All diese Hoffnungen verband Kirchenrat Rittelmeyer mit der neuen Schule an der Ludwigstraße, die am 10. September 1908 feierlich eröffnet wurde. 100 Jahre später feiert die ehemalige Ludwigschule – 1969 in Frieden-Volksschule umbenannt – ihren runden Geburtstag. Mit einer Revue am 13. März und einer umfangreichen Publikation.

Ein Blick in diese lohnt sich für alle, die sich für die Jahrhundertwende interessieren, für die Architektur dieser Zeit, aber vor allem für die gewaltigen Veränderungen, die Schule in diesen 100 Jahren erfahren hat. „Unsere Schule war immer eine Brennpunktschule“, formulierte es Rektor Rudolf Gampl bei der Geburtstagsrevue zum 90. vor zehn Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg half die Friedenschule bei der Eingliederung der Flüchtlingskinder, seit den 70ern wurden türkische Kinder integriert, Mitte der Neunziger, als der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien tobte und die Aussiedlerwelle aus der ehemaligen UdSSR auf dem Höchststand war, kamen täglich neue Schüler, die kein Wort Deutsch sprachen.

Das erste Schulbrausebad

100 Jahre vorher standen andere Probleme im Mittelpunkt. Die wenigsten Familien lebten in Wohnungen mit fließendem Wasser. Das erste Schulbrausebad der Stadt war eine Sensation. In drei großen tieferliegenden Bassins wurden je zehn Kinder gebadet. Für gebrechliche oder weit entwickelte Kinder waren sechs Einzelbrausezellen vorgesehen, heißt es in einem Artikel in der Sonderbeilage des Schweinfurter Tagblatts zur Eröffnung. Wannen, Leitungen und Umkleidekabinen sind bis heute erhalten.

Vor 100 Jahren galt die neue Schule als gediegen und zweckmäßig mit einer „einfachen, mehr durch Gruppierung wirkenden Stilweise“. Heute gilt sie als schönes Beispiel für Jugendstilarchitektur mit vielen Details, die noch erhalten sind: Wunderschön die lichtblauen Tonfliesen an den Wänden der Treppenhäuser und Gänge. Diese Korridore sind geräumig und schließen an ihren Enden mit einem Erker ab. Schmuckstücke sind auch die zwei Trinkbrunnen und Kaminverkleidungen aus Veroneser Marmor. In die Wände der beiden Treppenhäuser sind fünf jeweils einen Meter hohe Gipsabdrücke von Meisterwerken der italienischen Frührenaissance eingelassen. Vier der Reliefs zeigen singende und musizierende Knaben. Es handelt sich dabei, so ein Text in der Festschrift, um Szenen der zwischen 1441 und 1438 vom italienischen Künstler Luca della Robbia für den Florenzer Dom geschaffenen Sängertribüne, die im 17. Jahrhundert zerstört wurde.

Erbaut wurde die Schule von Architekt Paul Bonatz aus Stuttgart, ursprünglich als Zwillingsbau. Zwischen zwei gleichen Bauten lag der flache Mittelbau. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Gebäudeflügel durch ein einheitliches Satteldach verbunden. Die 24 Klassenzimmer waren in drei Geschossen untergebracht. Im Keller waren die Brausebäder mit Garderoben, Trockenräumen für die nasse Badewäsche und eine Küche, in der für die „älteren Mädchen Gelegenheit zum Erlernen des Haushaltes geboten“ war. Hausmeisterwohnung und Turnhalle waren im Nebengebäude, es gab einen Schulgarten.

Frische Luft für alle Räume

Beim Bau der Schule wurde ein einfaches, aber gut funktionierendes Lüftungssystem verwirklicht, hatte man doch schon damals erkannt, wie wichtig frische Luft für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Schülern und Lehrern ist. Von jedem Klassenzimmer führten Schächte in den Dachraum, über die die warme, verbrauchte Luft nach oben entweichen konnte. Durch Oberlichter kam Frischluft in die Räume, was sommers wie winters gut funktionierte.

Irgendwann wurden diese Kamine zugemauert, blieben aber erhalten und werden nun reaktiviert. Seit vergangenem Herbst wird die Friedenschule in zwei Bauabschnitten umfassend saniert. Das Architekturbüro Haase macht sich die alten Schächte zunutze für ein hoch effizientes Heizungs- und Lüftungssystem auf der Basis von Wärmerückgewinnung. Zusätzlich wird das historische Gebäude von innen isoliert.

Die Frieden-Volksschule feiert ihr 100-jähriges Bestehen mit einer Geburtstagsrevue am 13.März, 19 Uhr, Stadthalle. Zum Jubiläum erscheint eine umfangreiche Dokumentation.

Architektonisches Schmuckstück: Eines der beiden Treppenhäuser. FOTO RUPPERT

Architektonisches Schmuckstück: Eines der beiden Treppenhäuser. FOTO RUPPERT

 

Quelle:
Schweinfurter Tagblatt
Ausgabe vom 08.03.2008

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